Auf nach Kanada? – Teil 1

Wie unergründlich Karrierepfade doch sein können, habe ich im Februar mal wieder am eigenen Leib festgestellt. War ich doch gerade dabei, beruflich neu durchzustarten, Bewerbungsverfahren liefen, erste Termine für Vorstellungsgespräche standen…und dann:

Klingelt mein Telefon!

„Mein Chef hat mich gerade angesprochen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für 3-5 Jahre nach Kanada zu gehen.“

Uff! …am Telefon war mein Mann, ganz euphorisch, aufgeregt und freudig überrascht. Obwohl das Thema schon seit einigen Jahren im Raum stand, hätte ich – hätten wir –  nicht gedacht, dass die Anfrage der Auslandsentsendung doch noch auf uns zukommen wird. Haben wir 2015 nach unserem Umzug ins Haus doch noch gesagt: Puuh, zum Glück müssen wir nun erst einmal nicht mehr umziehen.

Verrückt, wie schnell sich das alles ändern kann und wie innerhalb einer Minute Pläne durchkreuzt werden und man sich neu ordnen, neu orientieren und vor allem selbst neue Pläne machen muss. Denn: Für meinen Mann ist natürlich alles einigermaßen klar vorgezeichnet: Eine gewisse Zeit (vermutlich 3 Jahre) arbeitet er in Kanada und dann geht es wieder zurück nach Kassel, in sein jetziges Unternehmen. Super Chance, tolle Erfahrung, auf geht’s!

Doch was bedeutet das für die mitreisende Familie? Denn das steht natürlich außer Frage: Klar kommen wir (unsere kleine Tochter und ich) mit. Selbstverständlich! Die Kleine lernt in der Kita sowieso schon Englisch und der Blick über den Tellerrand ist für sie, da sie noch nicht in der Schule ist, problemlos machbar…und vielmehr: eine Möglichkeit, die sie vermutlich für die nächsten Jahre sehr prägen wird.

Aber, schoss es mir nach der ersten Euphorie durch den Kopf, was wird nun aus mir? Neue Bewerbungen, neue Stelle, endlich der Traumjob? Kannst du knicken… Insgeheim wünschte ich mir bestimmt 2 Monate lang, dass mein Mann mit den Worten nach Hause kommt: Es hat sich erledigt, das wird doch nichts. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, mich unglaublich über diese Gelegenheit freuen zu müssen. Jeder in unserem Umfeld war bedingungslos begeistert von dieser Chance, die sich uns hier bietet. Keiner sah irgendwelche Nachteile.

Die nächsten Wochen saß ich also in einer Achterbahn der Gefühle zwischen „Es wird wundervoll, wir werden eine tolle Zeit verleben.“ und „Na super, mal wieder muss ich zurückstecken, schon wieder ein Umzug, der dazu führt, dass ich mich nicht in das stürzen kann, wozu ich eigentlich Lust habe.“

Doch im Laufe der Zeit fing ich immer mehr an, mich auf das zu freuen, was sich mir durch diese Auszeit bieten wird. Ich kann mich umorientieren, neue (hoffentlich auch berufliche) Erfahrungen im Ausland sammeln. Definitiv ein Pluspunkt für meinen weiteren Karriereweg. …und ich bekam immer mehr das Gefühl: Dass ich mit nach Kanada gehe, bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich meine eigenen Wünsche und Ziele komplett zurückstellen muss und nur die mitreisende Hausfrau und Mutter bin. Außerdem werden wir in eine wunderschöne Gegend in Kanada ziehen: Windsor, Ontario – direkt an den Großen Seen gelegen. Ich kenne die Ecke, bereits vor 15 Jahren (2001) habe ich 1,5 Monate in Toronto verbracht. Wer hätte gedacht, dass es mich nach so vielen Jahren noch einmal dorthin verschlägt.

Natürlich wird nicht alles möglich sein, was ich mir wünsche. Die Angehörigen von Expats sind nicht unbedingt die beliebtesten Arbeitnehmer, ist doch bekannt, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder zurück in ihre Heimat gehen. Und welches Unternehmen ist motiviert, Jemanden einzuarbeiten und zu fördern, der bald wieder weg ist.

Allerdings habe ich die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, mich von meinen Interessen treiben zu lassen, vielleicht noch einmal zu studieren. Ich habe drei Jahre lang Zeit, mir Pläne für die Zeit der Rückkehr nach Deutschland zu machen. Ich habe endlich einmal Zeit, an diesem Blog zu arbeiten. Ich habe vermutlich deutlich mehr Zeit für unsere Tochter. Dass ich das erkannt habe, motiviert mich. …und ich freue mich mittlerweile auf die Zeit.

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